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Ein wenig aus dem ersten Kapitel (Huja hat wirklich ein großes Problem! Nichts darf schief gehen.):
"He, gib sie mir sofort wieder!" Merenmut rannte hinter ihrem zwei Jahre älteren Bruder Isesi her und versuchte, an ihre Harfe heranzukommen. Das kleine Instrument war ihr ganzer Stolz. Ihre Großmutter hatte es ihr vor ein paar Tagen zum Neujahrsfest geschenkt. Isesi wandte sich grinsend um und hielt dabei die Harfe hoch über seinen Kopf. "Nur, wenn du nicht mehr drauf spielst. Es hört sich schrecklich an!" "Aber ich muss doch üben, sonst wird es sich nie besser anhören!", rief Merenmut empört. Sie sprang so hoch sie konnte, aber sie erreichte die Harfe nicht. Isesi war größer als sie. "Ich möchte doch ...” "Psst! Seid still!" Die Kinder blieben unvermittelt stehen. Senut, ihre Mutter, stand lauschend im Eingang. "Was ist?", flüsterte Merenmut. "Einer von Siamuns Schreibern ist bei Huja in der Werkstatt. Ich will wissen, warum der Schreiber so laut geworden ist." Erschrocken schauten sich die Kinder an. Wenn der Schreiber von Siamun, dem Oberaufseher der Grabschätze Pharaos, laut wurde, war das gar nicht gut. Ihr Vater Huja hatte doch nichts verbrochen! Leise lehnte Isesi Merenmuts Harfe an die Wand. Senut hatte den Kopf wieder lauschend geneigt, aber außer unverständlichem Stimmengemurmel war aus der Werkstatt nichts zu hören. Huja war Goldschmied. Er lebte mit seiner Familie im Handwerkerviertel der großen Stadt Men-nefer, der "Stadt des Guten", an der Spitze des Nildeltas. Sein Haus war eines der vielen Handwerkerhäuser in der Nähe des Hafens. Es lag an einem der Kanäle, die die ganze Stadt durchzogen. Sie verbanden den Hafen mit dem Nil. Auch mehrere kleinere Hafenbecken vor dem Palast des Pharao und vor den Tempeln der Stadt konnte man über sie erreichen. Einer der Kanäle führte sogar durch die Felder im Westen bis in die Wüste zu den alten Pyramiden von Sakkara. Das Besondere an den Handwerkerhäusern war ihre Werkstatt. Huja hatte Glück gehabt, als die Häuser verteilt wurden. Seine Werkstatt war besonders geräumig. Wie alle anderen lag sie neben dem Eingangsraum und der Haustür. Die Tür der Werkstatt flog auf. Huja und der Schreiber kamen heraus. Beide machten zornige Gesichter. "Du solltest dir meine Mahnung zu Herzen nehmen, Huja! Siamun ist der Oberaufseher der Grabschätze, und wenn er eine Strafe androht, dann meint er es ernst!" "Aber was soll ich denn machen?", rief Huja. "Ihr habt mir doch nicht genug Gold gegeben!" "Du bekommst es ja morgen. Also beeil dich, denn übermorgen muss die Schatulle auf dem Schiff sein." Der Schreiber drehte sich um und verließ das Haus, ohne Senut und die Kinder eines Blickes zu würdigen. Als er die Haustür hinter sich zugeschlagen hatte, war es völlig still im Eingangsraum. Huja stand mit gesenktem Kopf da. Er sah ratlos aus. "Was für Strafen hat der Schreiber gemeint?", fragte Merenmut ihren Vater ängstlich. "Wenn ich mit dem Vergolden der Schatulle nicht rechtzeitig fertig werde", antwortete Huja bitter, "dann schicken sie mich zur Strafe auf eine der Tempelbaustellen oder vielleicht gleich in einen Steinbruch." "Das ist doch unglaublich!", rief Senut empört. Die Kinder schauten ihren Vater entsetzt an. Beide Strafen bedeuteten, dass Huja weit weg von Zuhause sein würde. Und dass er vielleicht nie wiederkäme. "Hast du ihm gesagt, dass der Schnitzer dir die Schatulle erst gestern gegeben hat? Und hat er gesehen, dass du heute schon fertig sein könntest, wenn sie dir genug Gold gegeben hätten?", fragte Senut aufgebracht. "Ja natürlich!", seufzte Huja. "Aber das hat ihn nicht interessiert."
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