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Marita Pabst-Weinschenk:
Bibliografie zur Sprechkunde und
Sprecherziehung in Deutschland bis 1945

Magdeburg, Essen: Westarp-Wissenschaften, 1993
Kartoniert, 144 Seiten
ISBN 3-89432-081-8


Vorwort

Die hier vorgelegte Bibliografie ist im Rahmen meiner Beschäftigung mit der Fachgeschichte der Sprechkunde (SK) und Sprecherziehung (SE) entstanden. Bei der Erarbeitung der Geschichte der Fachkonstitution  und des theoretischen Konzeptes, das der DRACHschen SK/SE zugrunde liegt , wurden die diversen Literaturangaben aufgefunden und größtenteils eingesehen. Die wichtigsten VertreterInnen der SK und SE wurden ermittelt und ihre Publikationen - soweit verzeichnet - zusammengetragen. So entstand allmählich eine umfangreiche Bibliografie zur SK/SE bis 1945, die man als notwendige Ergänzung zur Fachbibliografie von WINKLER und GEISSNER , die kontinuierlich in den "mitteilungen" der Deutschen Gesellschaft für Sprechwissenschaft und Sprecherziehung (DGSS) e. V. fortgesetzt wird, betrachten kann.

Berücksichtigung finden in dieser Bibliografie nur publizierte Bücher bzw. Artikel aus Zeitschriften, Sammelwerken, Tagungsberichten. Interne Papiere, NSDAP-Rednermaterialien usw., die im Bundesarchiv (Koblenz) oder im Berlin Document Center erhalten sind, wurden hier nicht aufgenommen, da sie entweder nicht öffentlich publiziert oder nicht zur Literatur der SK/SE gerechnet werden können. 

Diese Bibliografie kann und will keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Denn die Quellenlage muß insgesamt als schlecht eingeschätzt werden. Einerseits kann in der Gründungszeit die Grenze zwischen VertreterInnen der SK und SE und denen angrenzender Fachgebiete (insbesondere der Psychologie, Kunsterziehung, Musikpädagogik, Germanistik, Phonetik, Sprachheilkunde) nicht eindeutig gezogen werden, und andererseits existiert keine vollständige Liste des Mitgliederkreises des Deutschen Ausschusses für SK und SE (DAfSuS) aus dieser Zeit, so daß selbst die VertreterInnen, die sich durch ihre Mitgliedschaft im DAfSuS ausdrücklich zur SK/SE bekannt haben, nicht mit Sicherheit bestimmt werden können. Dennoch war bei der Erarbeitung dieser Bibliografie das Kriterium der Nähe zum DAfSuS bzw. zur Nachfolge-Organisation (AG für SK im NSLB) leitend. So wurde neben den wichtigsten Bezugquellen vor allem die Literatur der Sprechkundler- und SprecherzieherInnen bzw. der AutorInnen, die in näherem Kontakt mit der SK und SE standen, berücksichtigt. Neben der Publikationstätigkeit in Organen, die der SK und SE gewidmet sind, gehe ich auch von stärkeren Affinitäten zur SK und SE aus, wenn gemeinsam Tagungen bestritten wurden.

Zeitschriften bzw. Sondernummern und Sammelwerke, die der SK und SE gewidmet sind, wurden sowohl als eigene Angabe, als auch aufgeschlüsselt nach den Beiträgen aufgenommen. Aus der Zeitschrift "Sprechen und Singen", dem Publikationsorgan des Deutschen Vereins für Stimmbildung (Lehrweise Prof. ENGEL) e. V., das sich 1930 bei der DAfSuS Gründung bereit erklärt, auch regelmäßig über dessen Belange zu berichten und das (leider!) 1937/38 liquidiert wird, um das Erscheinen der Zeitschrift "Das gesprochene Wort" zu ermöglichen (vgl. PABST-WEINSCHENK 1993: 300 f.), wurden die Artikel/ Berichte aus der Rubrik I ab dem Jahrgang 1928 vollständig aufgenommen; nicht berücksichtigt wurden die speziellen Belange des DtVfSt, die sich in den folgenden Rubriken zur Vereinsorganisation und -geschichte und zu den Veranstaltungen in den Bezirksvereinen usw. dokumentieren. Von den früheren Jahrgängen wurden nur die Aufsätze der Autoren berücksichtigt, die später dem DAfSuS nahestehen, also zum engeren Kreis der SK und SE zu rechnen sind; reine StimmbildnerInnen, die nicht zur SK und SE übergehen bzw. nicht die Verbindungen herstellen, bleiben weitgehend unberücksichtigt. 

Um die Grenze der SK und SE zu ziehen, mußten ferner sowohl rein musikpädagogische als auch rein rhythmische, psychologische oder homiletische Arbeiten usw. ausgeklammert werden. Es wurden z. B. nur solche musikpädagogische Beiträge aufgenommen, die einen Bezug zur SE und Stimmbildung aufweisen und zur Gründungszeit der SK/SE im Bereich von "Sprechen und Singen" anzusiedeln sind. Auch von der Literatur der Sprachheilkunde wird hier nur ein Ausschnitt repräsentiert, und zwar vorrangig der der Stimmbildung und SE sowie der Behandlung funktioneller Störungen. Einige Standardwerke, auf die man seitens der SK/SE immer wieder zurückgegriffen hat, wurden ebenfalls verzeichnet. Insofern verweist diese Bibliografie auf die gemeinsame Geschichte der SK/SE mit der Logopädie. Denn die endgültige Separierung erfolgte erst in den 50er Jahren. 

Vorrangig wurden die Beiträge aus anderen Disziplinen aufgenommen, die in einem (publikatorischen) Kontext mit der SE stehen. Die bibliografischen Hinweise zu den AutorInnen dieser Disziplinen haben also bewußt fragmentarischen Charakter. Um aber die Schnittfelder und fließenden Übergänge zur SK/SE zu dokumentieren, sollte hier nicht auf sie verzichtet werden.

Hilfreich war bei der Zusammenstellung auch das zusammenschauende Werk von SCHWEINSBERG , in dem er, um die Kontinuität des Faches zu wahren, viele Arbeiten des Zeitraumes erwähnt und zusammenfaßt. Von der homiletischen Literatur aber, die SCHWEINSBERG auch aufgearbeitet hat, wurden hier nur einige Grenzwerke zur SE berücksichtigt, die vorrangig Stimme und SE in den Mittelpunkt stellen. Auch von den Rhetoriklehrbüchern, die an anderer Stelle bereits bibliografiert worden sind , wurden nur die sprecherzieherischer Provenienz und die, auf die man sich in Kreisen der SK/SE vielfach bezogen hat, aufgenommen. Sprachdidaktische Arbeiten wurden nur aufgenommen, wenn der Bezug zur SK/SE offensichtlich ist und sie in Organen, die der SK/SE nahestehen, publiziert wurden oder dort besonders auf sie hingewiesen worden ist. Auch wenn man die Konstitution der SK und SE durch DRACH in den Kontext der Reformpädagogik stellen muß, so bleibt hier die Fülle der reformpädagogischen Veröffentlichungen weitestgehend unberücksichtigt (vgl. dazu PABST-WEINSCHENK 1993). 

Zeitlich ist die Bibliografie - als Vorlauf zu den bereits vorhandenen Fachbibliografien - bis 1945 begrenzt. Es wurden Titel ab etwa 1900 aufgenommen, denn zuvor kann von SK/SE in Deutschland keinesfalls die Rede sein.  Bei den verzeichneten Beiträgen fallen - neben den bekannten Bereichen der SK und SE wie Sprech-  und Stimmbildung, Rhetorik, Sprechkunst, Umsetzung im Unterricht oder in der Ausbildung - vor allem zwei Bereiche auf: zum einen gibt es in dem erfaßten Zeitraum eine Sprechchorbewegung, die man mit zur SE rechnen muß, auch wenn die Sprechchorfrage fast zum Prüfstein für sprechkundliche Konzeptionen wird (vgl. z. B. WINKLER 1935 A). Zum anderen wird das neue Medium der Schallplatte und des Rundfunks in die pädagogische Arbeit einbezogen, so daß eine Welle von Beiträgen entsteht, die sich damit beschäftigen. Da der DAfSuS das Sprechen in den Medien zu einem seiner wichtigen Arbeitsbereiche deklariert und sich als zuständiger Ausschuß für die (Sprech-)Qualität einsetzt, wurden Beiträge aus dieser Richtung, auch wenn sie nicht offensichtlich sprecherzieherischer Provenienz sind, aufgenommen. Dabei stellt man fest, daß die Anfänge der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der neuen Literaturform des Hörspiels im Kontext der SK und SE liegen. Die Hörspiel-Theorie, aber auch grundsätzlich die Bedingungen des neuen Mediums "Rundfunk" legen auch bereits Anfänge zu einer Rezeptionsästhetik: Die Perspektive des Hörers sowie Fragen einer spezifischen Hörerziehung geraten dadurch bereits in den Blick.

Trotz dieser Auswahlkriterien, denen in der Anwendung immer auch ein großes Moment subjektiver Entscheidung innewohnt ("Warum nehme ich eine gefundene Literaturangabe auf oder warum lasse ich gerade diese eine z. B. weg?"), ist insgesamt eine umfängliche Bibliografie der wichtigsten VertreterInnen der SK und SE und der mit ihnen im engeren wissenschaftlichen und praktischen Dialog stehenden VertreterInnen angrenzender Disziplinen bis 1945 entstanden, die die vorhandenen Fachbibliografien sinnvoll ergänzt. Auffällig bei der Durchsicht ist, daß bereits viele Autorinnen vertreten sind. Bedenkt man, daß Frauen in Preußen erst seit 1908 überhaupt an Universitäten zugelassen wurden, ist dies umso bemerkenswerter. Die SK und SE ist also vielleicht traditionell nicht so frauenfeindlich wie andere etablierte Wissenschaftsbereiche. 

Abschließend sei noch auf zwei wissenschaftliche Selbstverständlichkeiten hingewiesen: Zum einen stehen die Titel unverbunden nebeneinander, wenn keine sichere Identität des Autors ermittelt werden konnte; zum anderen wurde nicht durch das Weglassen nicht-opportuner Publikationen "geschönt", wie man es leider immer wieder von den verschiedensten Seiten feststellen muß, sei es um eine NS-Vergangenheit abzumildern  oder um eine These/Theorie nicht durch das Auffinden weiterer Literatur in Frage ziehen zu müssen .

Die NS-Vergangenheit ist existent; statt sie zu verdrängen, sollte man sich mit ihr auseinandersetzen. Dazu stellt die Bibliografie Material bereit.


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